Arthur Braun: Ein Magier?

3.: Der nächste Vormittag - Recherchen im Krankenhaus

Ich wachte nach einer ruhigen Nacht im Krankenhaus um ungefähr halb 10 Uhr auf. Nach der Morgentoilette wollte ich zuerst im Krankenhaus Informationen sammeln, Dr. Mayer ins Zimmer kam. "Guten Morgen, Herr Braun", sagte er, "ich wollte eigentlich nur nachsehen, wie es ihnen geht. Übrigens: Sie sind als mein Spezialpatient registriert, das heißt, ich kann über ihre Behandlungsweise frei entscheiden, ich bestimme aber auch, wann Sie wie lange das Haus verlassen dürfen und wann wir Sie entlassen werden. Letzteres werde ich sehr bald veranlassen, was sonst nicht möglich wäre. Sie sind ja ohnehin ein Jahr im Koma gelegen. Ein paar Tage Beobachtung verlange ich trotzdem. Ihrerseits etwas wichtiges?" "Ja, allerdings. Erstens sind ein paar kleine Erinnerungen zurückgekehrt: Ich weiß, wo meine Geldtasche normalerweise verstaut ist und ähnliches. Zweitens möchte ich mich für meine Ausgehzeit bedanken und drittens habe ich noch eine Frage: Wissen Sie, wo die Vranitzkystraße liegt und wo kann ich Daten der Steyrer Bürger erfahren?"
"Sie überwerfen mich ja mit Informationen und Fragen. Jetzt einmal langsam und mit der Ruhe: Ich habe fast erwartet, wenn es auch gar nicht so wahrscheinlich schien, daß Ihre Erinnerungen in mehr oder weniger großen Happen zurückkehren würden. Morgen oder übermorgen möchte ich daher noch einmal eine Gehirnanalyse durchführen, um konkret zu sehen, wie weit sich die Zellen wieder verbinden. Zum zweiten Punkt: Die Ausgehzeiten gebe ich Ihnen gerne, ich glaube nämlich, daß irgend etwas wichtiges im Magierbereich vorgeht, wovon wahrscheinlich auch Ihr Problem verursacht Wurde und wobei Sie gebraucht werden. Ich fühle es fast. Ich weiß zwar nicht wie und warum, aber ich fühle, daß Sie gebraucht werden... Und zu Ihren Fragen: Die Vranitzkystraße liegt, glaube ich, am Resthof, doch sehen Sie doch im Computer im Aufenthaltsraum nach. Wenn Sie von hier den Gang rechts hinuntergehen, kommen Sie direkt hin. Um Bürgerdaten fragen Sie am besten im Magistrat nach. Dieses Amt finden Sie am Stadtplatz. Wenn Sie noch andere Informationen benötigen, der Computer und auch ich stehen Ihnen gerne zur Verfügung." "Danke, Dr. Mayer", konnte ich gerade noch sagen, bevor der Arzt sich verabschiedete und das Zimmer verließ.
Ich setzte mich aufs Bett und dachte nach: Ich sollte für die Magier wichtig sein? Das war doch gar nicht möglich! Ich war doch nur ein gewöhnlicher Mensch - oder doch nicht? War ich sogar ein Magier? Das mußte ich jedenfalls herausfinden. Das hieß aber, ich mußte zu mir nach Hause. Ich mußte in die Vranitzkystraße. Hausnummer 13. So stand es zumindest auf meinem Mopedausweis. Also auf zum Computer.
Im Aufenthaltsraum angekommen, sah ich schon das Prachtgerät. Ein großer Bildschirm war zu sehen, eine kleine Tastatur stand auf einem darunter befindlichen, herausziehbaren Fach. Es war ein "Touch-Screen"-Computer, ein Gerät, das durch bloßes Antippen (mit dem Finger) am Bildschirm gesteuert werden konnte. Daher tippte ich einfach am Bildschirm die Schaltfläche "Stadtplan" an und schon sah ich die ganze Stadt am Bildschirm. Ein Antippen auf "Straße suchen" und die Eingabe von "Vranitzkystr." auf der Tastatur genügte, um einen vergrößerten Abschnitt des Resthofer Planes zu bekommen, auf dem mit einem roten Punkt die gesuchte Straße gekennzeichnet war.
"Genial", entfuhr es mir, "wer hat dieses Programm geschrieben?" Ich tippte auf "Programminformation" und - traute meinen Augen nicht! Dort stand doch tatsächlich: "Steyr-Info, ein Programm von Arthur Braun, Vranitzkystr. 13, 4400 Steyr" ICH hatte dieses Programm selbst erstellt? Plötzlich schoß für einen kurzen Augenblick, einen winzigen Sekundenbruchteil ein stechender Schmerz durch meinen Kopf, wie wenn dieser explodieren und sich gleichzeitig zusammenziehen würde, wie wenn mein Gehirn von 13 Nadeln gestochen würde und es diese gleichzeitig selbst wegschießen würde, wie wenn es zur selben Zeit unter Über- und Unterdruck stehen würde. Ich wußte nicht, wie mir geschah, doch plötzlich wußte ich, als ob es selbstverständlich wäre: Ja, ich war doch Programmierer! Als ich wieder den Stadtplan ansah, erblickte ich viele Details, Dinge, die ich eigentlich verbessern wollte und erkannte die Probleme, die sich bieten könnten.
Ich setzte mich auf den Sessel, der vor dem Gerät stand und dachte nochmals nach. Wie ein multi- und überdimensionaler, riesiger Geistesblitz war ein großer Teil meiner Erinnerungen zurückgekehrt: Ich wußte plötzlich, wie ich dieses Programm geschrieben hatte, ja, ich wußte sogar wieder, wie das Programmieren funktionierte. Für ein paar Sekunden - oder waren es Minuten? - mußte ich meine Augen jetzt schließen, da ich einen kurzen, aber intensiven, Anfall von Müdigkeit spürte.
Nach ein paar Minuten Rast griff ich wie hypnotisiert, aber bei vollem Bewußtsein, zur Tastatur und drückte eine Steuertaste, bevor ich einen siebenstelligen Code eintippte, und am Bildschirm erschien "Bürgerinformation Steyr spezial - nur für bemächtigte Personen (im Sinne des Datenschutzes), Sie arbeiten jetzt mit Daten aus dem Zentralcomputer des Magistrates Steyr". Ich konnte nun mit Leichtigkeit die Informationen, die ich vorher vom Magistrat holen wollte, abrufen. Zuerst sah ich mir die "Bewohnerinformation" der Vranitzkystraße 13 an und erkannte, daß ich dort - gottseidank - alleine lebte. Ich hatte nämlich befürchtet, unerwartet Verwandte zu treffen und sie nicht zu erkennen. In der "Personen- und Familieninformation erfuhr ich, daß ich keine Geschwister hatte und meine Eltern, Robert und Martha Braun (geborene Weiß), vor rund eineinhalb Jahren auf mysteriöse Weise verschwunden waren und seit diesem Vorfall als tot galten. Außerdem waren meine Eltern sehr angesehen gewesen, da mein Vater angeblich oft halbe Wunder vollbracht hatte. - Magie???
Wenn mein Vater wirklich Magier gewesen war und als angesehen galt, dann hatte er die (magische) Energie anscheinend für gute Zwecke verwendet und wenn die Gesetze stimmten, müßte ich... - Die 12-Uhr-Glocken rissen mich aus meinen Gedanken. Ich ging ins Zimmer, um zu essen. Doch der Gedanke ließ mich nicht los: War ich Magier? Stimmten die "goldenen Gesetze"? Gab es Magie überhaupt?

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© Robert Kaiser, 1997