Arthur Braun: Ein Magier?

6.: Meine Wohnung

"Sie wollen also in Ihre Wohnung, Herr Braun?" "Richtig. Stimmt es, daß ich gleich hinein kann?" "Ja, ich brauche nur Ihre Unterschrift auf diesem Formular." "Was steht dort alles?" "Nur, daß unsere Arbeiten in der Wohnung abgeschlossen sind und daß die Wohnung wieder in Ihre Verantwortung übergeht." "Welche Arbeiten waren das?", fragte ich noch während des Unterschreibens. "Wir suchten nach Fingerabdrücken, konnten aber keine außer Ihren finden. Außerdem konnten wir nicht feststellen, ob etwas gestohlen worden war, es sah aus, wie wenn nur die Tür aufgebrochen wurde (ohne beschädigt zu werden!) und dann die Wohnung verlassen wurde. Nur der Schreibtisch war und ist in Unordnung. Wenn er nicht schon vorher so war, muß der Einbrecher dort etwas gesucht haben, wenn er auch nach den modernsten Mitteln keine feststellbaren Spuren hinterlassen hat. Unsere Untersuchungen blieben allerdings ohne jeden Erfolg, denn Zeugen gab es auch keine." Er löste die Plombe, sperrte auf ("Der Schlüssel ist von Ihrer Nachbarin") und gab mir den Schlüssel. "So, das Schild abmontiert und die Wohnung gehört wieder Ihnen. Viel Glück daheim!" "Danke." Endlich stand ich in den eigenen 4 Wänden - ein herrliches Gefühl.
Während ich mich umsah und wieder an so manches Detail erinnerte, kamen Brigitte und Dr. Mayer mit dem Geheimfachschlüssel herein. "Hier ist er, Arthur. Wir lassen dich am besten allein. Wenn du uns suchst: Wir sind in meiner Wohnung", bemerkte sie nur, als die beiden wieder verschwanden. Ich sah mich noch einmal im Vorraum um: Rechts war neben Bad und Toilette das Schlafzimmer, links die Küche mit einer Tür ins geradeaus gelegene Wohnzimmer. Dort sah ich mich zuerst um: Da gab es links neben der Tür vom Vorzimmer in diesen Raum eine zweite, die in die Küche führte, wie ich bereits erzählt habe. An der linken Wand stand ein großes Bücherregal, vor dem linken der 2 Fenster, die den Türen gegenüber lagen, stand endlich der schon angesprochene Schreibtisch, in der rechten Zimmerhälfte eine Sitzgarnitur mit Stereoanlage und Fernseher. Doch zurück zum Schreibtisch, den ich mir gleich genauer ansah: Auf ihm herrschte, wie mir schon von Brigitte und dem Polizisten gesagt worden war, schreckliche Unordnung. Die Zettel lagen durcheinander, wie wenn der Sturm sie durchwühlt hatte. Daher war das erste, was ich daheim machte, das Zusammenfassen der Zettel zu einem ordentlichen Stoß, den ich aus purer Gewohnheit auf die linke Seite des Schreibtisches legte.
Ach ja, ich hätte fast vergessen, daß hinter dem Schreibtisch auf einem kleineren Tischchen ein Computerbildschirm stand und in einem Fach darunter eine ausziehbare Tastatur angebracht war, die Maus lag neben dem Bildschirm und der Computer selbst stand im Tower-Gehäuse rechts neben dem Schreibtisch. Nachdem ich dies erkannt hatte, schaltete ich das Gerät ein, doch noch bevor ich etwas vernünftiges am Schirm sah, erschien die Meldung "Bitte Eintritts-Paßwort eingeben:". Natürlich hatte ich keine Ahnung, was ich eingeben mußte. "Na schön", dachte ich, doch plötzlich hatte ich eine Idee: Wenn ich halbwegs intelligent gewesen war beziehungsweise so gefühlt hatte, dann müßte im Geheimfach irgendwo ein Vermerk mit diesem Paßwort sein. Ich suchte also am Schreibtisch ein schließbares Geheimfach und entdeckte es schließlich im doppelten Boden einer ganz seriösen Schreibtischlade. Dort fand ich das Eintritts-Paßwort "ABComp", das auch funktionierte. Allerdings war da noch die Frage nach dem "Identifikations-Paßwort" die ich, wie es auf der Liste stand, mit ArBrau beantwortete. Jetzt endlich meldete sich der Titelbildschirm des Betriebssystems "MS-Detroit 7.3".
Während dies geladen wurde, schaute ich noch einmal ins Geheimfach. Dort fiel mir sofort ein Zettel auf, der als Titel "Abschlußbestätigung" trug. In der Zeile darunter las ich weiter: "der Schule für besondere Fähigkeiten in Stadlkirchen, OÖ". Weiters entnahm ich dem Formular, daß ich die "höhere Schule für besondere mentale Fähigkeiten" mit ausgezeichnetem Erfolg abgeschlossen habe. Ausstellungsdatum: Freitag, 21. 6. 2109. Interessant. Ich hatte also eine Spezialschule in Stadlkirchen (in der Nähe von Steyr) besucht und abgeschlossen, kurz bevor ich ins Koma gefallen war. Vielleicht finde ich dort den Grund für dieses Koma und vielleicht habe ich auch dort eine Chance, herauszufinden, wer das Mädchen war, deren Porträt ich noch immer im Kopf hatte. War es eine weitere Magierin? Möglich. Schön war sie jedenfalls, zumindest, wenn man das Gesicht sah und mehr als dieses Bild hatte ich ja nicht im Kopf über sie. Ich wollte auf jeden Fall herausfinden, wer sie war.
Plötzlich betrat Dr. Mayer den Raum und sagte, es wäre Zeit zu gehen. Ich schaltete den Computer ab, verschloß das Geheimfach mit dem Zettel und kurz später die Wohnungstür. Eigenartig fand ich, daß man der Tür nicht im geringsten anmerkte, daß sie aufgebrochen worden war. Nach der Verabschiedung von Brigitte verließen wir das Haus in Richtung Bushaltestelle. "Etwas gefunden?" fragte der Arzt. "Tja", antwortete ich, gefolgt von einer Erzählung, die das einzig interessante an der Heimfahrt beziehungsweise Rückfahrt von zu Hause war. Sogar bei der Erwähnung der "Schule für besondere Fähigkeiten" reagierte Dr. Mayer nicht anders, als wenn ich "Gymnasium" gesagt hätte.

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© Robert Kaiser, 1997