Arthur Braun II: Welten

2.: Unendliche Weiten

Captain Picard drehte sich zu mir um. "Willkommen auf der Enterprise, Braun. Wir haben Sie fast erwartet. Ich denke, wir müssen uns nicht vorstellen." Nein, das mußten sie nicht. Ich stand, obwohl ich nicht so recht wußte, warum dies so war, auf der Kommandobrücke des Raumschiffes NCC-1701-E "Enterprise", das in der Sternenflotte der Vereinten Föderation der Planeten im Dienst stand, und neben Captain Jean-Luc Picard auch Worf, Data, William T. Riker, Deanna Troi, Beverly Crusher und Geordi LaForge zu seinen wichtigsten Besatzungsmitgliedern zählte. Alles im allem war ich also ganz gut im Bilde, wo ich mich befand.
"Grüß Gott, ich freue mich, Sie hier zu sehen, Captain." Das war alles, was mir jetzt einfiel. "Sie wundern sich wahrscheinlich, woher ich Sie kenne, Braun, doch das ist leicht erklärt: Ihr Vater - der uns übrigens schon öfter besucht hat - war vor Kurzem wieder einmal auf Besuch hier und meinte, daß es passieren könnte, daß sie demnächst unserem Schiff ihren ersten Besuch abstatten. Sie würden nämlich seine Nachfolge antreten." Das überraschte mich zwar leicht, aber doch nicht allzu sehr, denn mein Vater war mit schon oft - wie jetzt auch - sorgsam einen Schritt voraus gewesen, außerdem kannte ich auch seine Vorliebe für Star Trek, die er mit mir geteilt hatte.
"Vielleicht können Sie uns auch sogar ein Wenig helfen. Wir sind derzeit auf der Suche nach einem Weg, unser Schiff auf einen Besuch in den δ-Quadranten mit gesicherter Rückkehr schicken zu können bzw. ein anderes Schiff von dort zurück zu uns in den α-Quadranten zu bringen. Das sollte natürlich auch noch möglichst schnell gehen." "Was ist der Grund für diese Mission?" "Ganz einfach: Vor rund zwei Jahren startete das neue Forschungsschiff NCC-74656 'Voyager' von der Basis Deep Space Nine aus zu seinem üblichen Test- und 'Jungfernflug'. Bei der Verfolgung eines Marquis-Schiffes in die Badlands verschwanden aber plötzlich beide Schiffe spurlos. Das Flottenhauptquartier bekam nun auf Umwegen einige angeblich schon ältere Botschaften der Voyager-Crew, die allerdings zu einem Romulaner-Frachter gebeamt worden waren und dann - wie schon gesagt - auf Umwegen zum Raumflottenhauptquartier der Föderation gelangten. In einem langwierigen Prozeß erforschten Crew-Angehörige und Wissenschaftler der Föderation die Echtheit der - übrigens privaten - Nachrichten und kamen zu dem Ergebnis, daß sie wirklich von den Voyager-Crewmitgliedern stammen müßten. Jetzt sollen wir herausbekommen, wie die Voyager zu ihrem Aufenthaltsort, der laut den Nachrichten im δ-Quadranten liegt, gelangen konnte bzw. wie sie wieder zurückkehren kann, ohne 70 Jahre unterwegs zu sein."
"Diese Geschichte mag unglaublich klingen, aber ich glaube Ihnen jedes Wort, Captain. Und ich denke, daß Voyager-Captain Kathryn Janeway mit dem gleichen Problem kämpft. Allerdings hat sie keinen so großen Wissenschafterstab zur Verfügung und muß zusätzlich in einem gänzlich unerforschten Gebiet mit teilweise noch unbekannten Rassen leben, was Ihnen gottseidank hier erspart bleibt. Der Forschungsauftrag der Voyager hat dadurch aber sicher einen neue Bedeutung bekommen..." "Absolut richtig. Unsere Umgebung ist wahrscheinlich wirklich 'ruhiger' und jedenfalls bekannter. Allerdings könnte die Voyager dort so technologisch fortgeschrittenere Rassen treffen, die eventuell mit uns noch unbekannten Methoden ein Rückreise ermöglichen können." "Tja, in diesem Fall wären sie aber schon hier, Captain." "Stimmt, Braun. Also, machen wir uns bereit zum Arbeiten und Forschen. Data, setzen Sie den besprochenen Kurs und beschleunigen Sie auf Warp 8.5." "Aye, Captain." "Energie!"
Wir fetzten durchs All. Unsere erste Station sollte das Wurmloch sein, durch das die Voyager die Nachrichten und sogar angeblich den Captain des romulanischen Frachters gebeamt hatte. Während des Fluges unterhielt ich mich mit Captain Picard und seiner Crew ein wenig über die Vergangenheit, besonders das 20. und 21. Jahrhundert, und besichtigte das Schiff. Die wichtigsten Teile kannte ich ja bereits aus Fernsehen und Kino, aber die Größe der Enterprise und die Lage der Einrichtungen im Schiff waren mir vorher nicht so bewußt gewesen - außerdem war ein ein ganz anderes Gefühl, wirklich in diesen Räumen zu stehen, als sie nur auf der Leinwand zu bewundern. Dann war Vergnügen am Holodeck angesagt: Während das Schiff praktisch von alleine flog, war fast die ganze Kernmannschaft dort versammelt, um es sich in einem - natürlich holographisch simulierten - Kaffeehaus des späten 20. Jahrhunderts bequem zu machen. In diesem Klima fühlte ich mich sofort wohl, noch dazu durfte ich meinen Cappuccino bei einem Gespräch mit Troi genießen, die ja auch besondere innere Fähigkeiten besaß. Diese lagen zwar noch viel stärker im seelischen Bereich als meine eher geistig orientierten, aber es gab durchaus interessante Parallelen, die ein Gespräch wert waren. Besonders meine Fähigkeit, als Mensch durch starke Konzentration die Gedanken anderer zu lesen, interessierte Troi sehr, da sie immer gedacht hatte, diese Fähigkeit wäre Betazoiden vorbehalten. Von ihr ließ ich mir im Gegenzug erklären, wie es funktionierte, daß sie Gefühle auch von anderen Wesen wahrnehmen konnte. Dieses Gespräch war auf jeden Fall uns beide sehr interessant und befruchtend, wir konnten auch unsere Erfahrungen in mehreren Bereichen austauschen.
Dann kamen wir auf Trois langjährige Freundschaft und Beziehung mit William Riker zu sprechen. Dabei erinnerte ich mich plötzlich an meine langjährige Freundschaft mit Simone und meine ersten Annäherungsversuche mittels anonymen Liebesbriefen.

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© Robert Kaiser, 2001